Doppelt gemoppelt hält besser (?)
Doppelt gemoppelt hält besser (?)

Doppelt gemoppelt hält besser (?)

Das Thema: Zweithund

Ich glaube, so ziemlich jeder Hundehalter kommt irgendwann an den Punkt, an dem er verträumt zu seinem schlafenden, auf der Couch neben ihm eingerollten Fellknödel blickt und sich denkt: „Hach, so ein Zweithund wäre doch echt schön.“

„Dann können die immer miteinander spielen.“
„Dann ist meiner nicht mehr so alleine!“
„Der zweite Hund erzieht sich doch dann quasi von selbst.“

Doch ist das wirklich so?

Der Trend geht deutlich zur Mehrhundehaltung. Doch wie auch schon bei der Anschaffung des Ersthundes sollte der Kauf eines potentiellen Zweithundes sehr gut überlegt werden. Es gibt einige Punkte, auf die geachtet werden muss und über die man sich im Vorfeld Gedanken machen sollte. Denn – und ich lasse hier vielleicht gerade ein paar Seifenblasen platzen – nicht jeder Hund ist wirklich glücklich mit der Gesellschaft eines weiteren Artgenossen. Aber fangen wir von vorne an!

Der Wunsch nach einem Zweithund entspringt eigentlich immer aus menschlicher Natur. Denn könnte der erste Hund für sich entscheiden, hätte er dich als Herrchen oder Frauchen nämlich am liebsten für sich ganz alleine. Hunde sind im Laufe der Domestikation wie kein anderes Haustier extrem abhängig von uns Menschen geworden und komplett auf das Leben mit uns ausgerichtet. Sie bevorzugen sogar Menschen als Sozialpartner, wenn sie die Wahl zwischen einem Menschen und anderen Hunden hätten! Klar, Hundekontakte beim Gassi ab und zu sind schon nett und auch mal ordentlich mit den Hundekumpels über die Wiesen zu flitzen kann ein Mensch nicht ersetzen. Doch am liebsten verbringt Herr oder Frau Hund seine 24 Stunden mit DIR.

Die Motivation

Deswegen sollte man sich, wenn der Wunsch nach einem Zweithund aufkommt, die ehrliche Frage stellen: Möchte nur ICH einen Zweithund oder ist auch mein ERSTHUND damit einverstanden? Ist er eher der extrovertierte Typ, der prinzipiell jeden fremden Hund spannend findet, oder doch eher der introvertierte Typ, der Zeit mit neuen Kontakten braucht oder sogar überhaupt kein Fan von anderen Hunden ist?

Der passende Zeitpunkt

Das passende Alter des Ersthundes spielt hier auch eine Rolle. Dein Hund sollte, wenn möglich, die „Grundausbildung“ hinter sich haben und in seinem Charakter und Wesen gefestigt sein. Das wäre im Schnitt so im Alter von 2-3 Jahren. So kannst du dich voll und ganz auf das Training mit dem neuen Hund fokussieren, ohne nebenbei an den „Baustellen“ des Ersthundes arbeiten zu müssen. Es ist außerdem gut möglich, dass der Zweithund sich vom Ersthund ein bisschen „gutes Benehmen“ abschaut – allerdings kann das auch mit Ungezogenheiten passieren!

Einem zu alten Hund nochmal einen Welpen vor die Nase zu setzen wäre nicht fair gegenüber dem Althund, da beide Hunde ganz verschiedene Ansprüche im Alltag haben.

Die Zusammenstellung

Vor dem Einzug des neuen Mitbewohners sollte man sich auf jeden Fall überlegen, ob der zukünftige Hund vom Temperament und der Statur zum aktuellen Hund passt. Ein gemütlicher Mastiff passt nicht wirklich zu einem Jack Russel mit hohem Energielevel und ein Chihuahua hat körperlich im Notfall einer Deutschen Dogge nichts entgegenzusetzen.

Hat man einen eher schüchternen und reservierten Hund zu Hause, könnte ein selbstbewusster Zweithund eine tolle Ergänzung sein. Auch das Geschlecht spielt keine untergeordnete Rolle. Ist die Konstellation Rüde/Hündin geplant? Wie wird das während der Läufigkeit der Hündin geregelt? Hündin/Hündin? Hündinnen untereinander können, gerade in Läufigkeitsphasen, sehr biestig zu anderen Hündinnen werden – teilweise kann Blut fließen! Rüde/Rüde? Traust du dir zu, eventuelles Machogehabe zu händeln?

Der Erstkontakt

Die Traumvorstellung ist doch: Zweithund zieht ein, Ersthund nimmt ihn „unter die Fittiche“ und liebt den Neuzugang vom ersten Tag an, beide trotten entspannt durch den Alltag und niemals nie gibt es irgendwelche Probleme. Die Realität sieht in vielen Fällen anders aus.

Oft fängt es damit an, dass der Ersthund nicht ausreichend auf den neuen Mitbewohner vorbereitet wird. Sollte dein neuer Hund vom Züchter kommen, bitte den Züchter/die Züchterin darum, eine Decke oder ein altes T-Shirt als Geruchsträger mit zu den Welpen zu legen. Nach ein paar Tagen kannst du das Stück dann wieder mitnehmen und dein Hund kann so schon mal über den Geruch den ersten „Kontakt“ aufnehmen.

TIPP: Je ruhiger das Treffen ausfällt, umso besser passen die Hunde zusammen! Wildes Toben, Herumspringen oder gegenseitiges Jagen ist kein Spiel unter Hunden, sondern ein Abchecken, wer was besser kann. Das könnte späteres „Diskussionspotential“ unter den Hunden bedeuten!

Wenn der Welpe einzieht, setz ihn bitte NICHT dem Ersthund einfach vor die Nase und schau, was passiert! Du sorgst dafür, dass der Welpe bei dir Schutz findet und sich beide Hunde mit etwa einem Meter Abstand begutachten können. Wenn die erste Aufregung vorbei ist und sich langsam angenähert wird, ist es deine Aufgabe darauf zu achten, dass der Welpe dem Ersthund nicht auf die Nerven geht. Soll dein Zweithund aus einer Tierschutzorganisation, dem Tierheim oder von privat kommen, bitte die zuständigen Personen um ein Treffen auf NEUTRALEM (die Hunde dürfen beide das Gebiet vorher noch nie gesehen haben) Boden, um so die Chemie zwischen den beiden zu beobachten.

Das Management

Dein erster Hund hat IMMER Priorität! Der Welpe/neue Hund darf weder in das Körbchen des Ersthundes, noch an seinen Futternapf oder sein Spielzeug. So zeigst du deinem ersten Hund, dass er dir wichtig ist und du auf sein Wohlbefinden achtest – trotz Neuzugang. Der Ersthund wird weiterhin zuerst gefüttert, zuerst angeleint wenn es zum Gassi geht und bekommt zuerst Zuneigung von dir. Somit beugst du Frust gegenüber dem neuen Hund vor und vermeidest eventuelle Streitereien unter den Hunden.

In manchen Fällen kann es passieren, dass sich die Hunde ZU gut verstehen – sprich, sie „sprechen“ sich (vor allem beim Gassi) untereinander ab und haben ihre ganz eigenen Pläne. Zum Beispiel dem Hasen auf 12 Uhr mal kurz „Hallo“ sagen zu wollen. Hundesprache ist so fein und unscheinbar: Unter den Hunden reicht ein kurzer Blick oder eine gehobene Augenbraue und schon ist alles „gesagt“. Ist man als Mensch dann nicht schnell genug und erkennt diese feinen Zeichen nicht, sieht man meist nur noch Staubwolken.

Es ist also absolut wichtig, die „Grundbegriffe“ der Hundesprache zu erkennen und zu verstehen – und zu wissen, wie und wann man eingreift. Doch was passiert, wenn trotz sorgfältiger Planung und Management die Chemie unter den Hunden so gar nicht stimmt? Auch wenn es schwer fällt, aber auch dafür solltest du dir Gedanken machen – für den Fall, dass es trotz aller Bemühungen gar nicht passt. Schaffst du es, unter den Hunden den Rest ihres Lebens zu vermitteln und den „Schiedsrichter“ zu spielen? Oder gibt es einen Plan B?

Die Kosten

Ein fast selbsterklärender Punkt: „Mehr“ Hund bedeutet mehr Kosten. Es erhöhen sich die monatlichen Futterkosten, eventuell muss eine zweite Ausrüstung angeschafft werden (Leine, Halsband, Körbchen), doppelte Versicherungskosten und in einigen Gemeinden wird die Hundesteuer ab dem zweiten Hund sogar um das Doppelte angehoben. Deswegen rechtzeitig vorher erkundigen! Bist du über die kommenden Zusatzkosten informiert und bereit, diese zu tragen?

Die Entscheidung, einen zweiten Hund in die Familie aufzunehmen, muss wirklich sehr gut überlegt sein. Es hängt von vielen Faktoren ab, ob es klappen kann – oder eben auch nicht! Für sehr Unentschlossene, die die Praxis brauchen, um sich zu entscheiden, wäre es vielleicht eine Option, sich bei befreundeten Hundehaltern einen Zweithund „auszuleihen“. So kann man im Vorfeld schon mal ein paar Tage probieren, ob man auch wirklich der Herausforderung gewachsen ist.

Nadine Pfeiffer


Fotos: © Frech-Fuchs Photographie

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