Der perfekte Hund – Zerreißprobe: Genetik und ihre Diversität
Der perfekte Hund – Zerreißprobe: Genetik und ihre Diversität

Der perfekte Hund – Zerreißprobe: Genetik und ihre Diversität

Zucht und Fortschritt über Generationen

Für jeden Züchter wird es immer schwieriger, den Spagat zwischen Zucht und Fortschritt (im geno- und phänotypischen Sinne) für seine Rasse und deren weitere Generationen zu schaffen, über Generationen zu planen und aus standardgerechten Linien geeignete Zuchthunde zu „kreieren“, um den Fortbestand der Rasse für die nächsten Jahrzehnte zu sichern – und das selbstverständlich nur im positiven Sinne! Diese Passion zum Wohle jeder Rasse sollten ernst­hafte Züchter in sich tragen. Der „perfekte Hund“ sollte rassetypisch sein und bis ins hohe Alter vor Gesundheit strotzen.

Wie aber stellt man das als Züchter an?

Familienmenschen möchten „nur gesunde Hunde“ – die wollen wir alle! An dieser Stelle kommt die Genetik mit all ihrer Diversität ins Spiel. Es ist bekannt, dass unsere „noch urtümlichen Corgis“ im Vergleich zu anderen Rassen sehr gesund sind und sich nur mit wenigen Krankheiten auseinandersetzen müssen. Dank der heutigen Forschungsmethoden und dem Verantwortungsbewusstsein der Züchter sind diese wenigen Krankheiten auch gut unter Kontrolle, denn kein Züchter wird es bewusst zulassen, dass kranke Hunde geboren werden.

Nun könnte man behaupten, Genetik und die Weiterentwicklung der Forschung seien der reine Segen. Natürlich trifft das grundsätzlich zu! Was jedoch schnell vergessen wird, ist, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Leider führten diese vielen Tests in den letzten Jahren oftmals auch dazu, dass für eine Rasse in einem geschlossenen Gen-Pool ein Schritt vor und gleichzeitig zwei Schritte zurück gemacht wurden. Aus Angst und mangelnder Aufklärung gepaart mit Halbwissen kommt es recht schnell zu einem Hype um bestimmte „Erkrankungen“. Bei schwerwiegenden Krankheiten muss der Phänotyp (äußeres Erscheinungsbild) zum Schutz des Hundes selbstverständlich eine untergeordnete Rolle spielen.

Fakt ist: Wir müssen Auskreuzungen von Erkrankungen mit Vorsicht vornehmen, um den Erhalt des Gen-Pools weiterhin zu sichern und um eine „Verdünnung“ des Blutes zu vermeiden. Wir haben nur einen begrenzten Gen-Pool, in dem wir uns bewegen. Jede Linie, gleich welche, hat ihr Für und Wider. Diese sollten gepflegt und sinnvoll eingesetzt werden.

Was ist die Von-Willebrand-Erkrankung?

Ein Syndrom beim Welsh Corgi Pembroke ist die Von-Willebrand-Erkrankung – vWD1. Individuelle Merkmale des jeweiligen Hundes können unterschiedliche Schweregrade aufweisen. In milder Form ist die Krankheit durch mäßige Blutungen gekennzeichnet.

In schwereren Fällen ist dies viel ausgeprägter und kann zum Verbluten bei Verletzungen des Tieres führen. Die charakteristischen und spezifischen Symptome für vWD sind Blutungen aus den Schleimhäuten von Mund und Nase, den inneren Organen und ein langes Nachbluten bei Verletzungen, Zahnfleischbluten, verlängerte Blutungen während der Läufigkeit bei Hündinnen und wiederholte Magen-Darm-Blutungen mit oder ohne Durchfall sowie Lahmheiten durch Einblutungen in den Gelenken. Weitere einhergehende Probleme sind Hämatome auf Körperoberflächen und exzessive Blutungen nach Operationen.

Die Von-Willebrand-Erkrankung (vWD) ist die häufigste vererbte Blutgerinnungsstörung mit unterschiedlichem Schweregrad, welche auf einen defekten oder gar fehlenden ­Von-Willebrand-Faktor (vWF) im Blut zurückzuführen ist.

Die Symptome ähneln einer Hämophilie (Blutgerinnungsstörung), was dazu führt, dass die Von-Willebrand-Krankheit manchmal auch als Pseudohämophilie bezeichnet wird. Die Ursache der Krankheit ist ein quantitatives Defizit des Von-Willebrand-Faktors, des multimeren Glykoproteins (Makromoleküle), welches für die Thrombozyten-Adhäsion (Blutplättchenanheftung) an Kollagen an den Stellen der Schädigung der Gefäßwand erforderlich ist.

© Grafik: Janine Huber / Quelle: Laboklin GmbH & Co. KG / Labor für klinische Diagnostik

Dieser Faktor bindet auch an den Gerinnungsfaktor VIII und schützt ihn vor Proteolyse (Aufspaltung von Eiweißkörpern in Aminosäuren). Beim Corgi liegt glücklicherweise der Typ 1 vor, der zwar situationsabhängige Symptome mit sich bringt, aber den Hunden eine normale Lebenserwartung ermöglicht. Seit 2008 kann vWD genetisch über Blut- oder Speichelproben getestet werden. Die Von-Willebrand-Erkrankung unterliegt einer autosomal-dominanten Vererbung, mit unvollständiger Penetranz.

Was ist der autosomal inkomplett dominante Erbgang?

Als autosomal-dominante Vererbung ist in Bezug auf Erbkrankheiten eine Form der Vererbung gemeint, bei der bereits eine veränderte Kopie des Gens dafür sorgt, das ein Hund erkranken kann. Bei den Nachkommen genetisch gesunder Familienmitglieder tritt die Erkrankung nicht auf. Ausnahme: unvollständige Penetranz – das heißt, Hunde können aufgrund dessen bereits mit einem mutierten Allel (carrier: N/vWD1) die Blutgerinnungsstörung entwickeln. Ein vWD-Träger gibt dies zu ca. 50% an seine Nachkommen weiter, d.h. aber nicht, dass die Krankheit bei einem Corgi mit zwei Kopien (at risk: vWD1/vWD1) des Alleles jemals zum Tragen kommt, was im Umkehrschluss für diesen Erbgang eigentlich logisch wäre. Es ist gegenwärtig noch nicht erforscht, welche Gene diese Penetranz beeinflussen. Es gibt mittlerweile die Möglichkeit, die Von-Willebrand-Antigene (Höhe des Plasmaspiegels) über eine Blutentnahme mit Citrat-Plasma-Röhrchen im Mischungsverhältnis 1:10 beim Tierarzt entnehmen und photometrisch im Labor testen zu lassen. Als Photometrie bezeichnet man Messverfahren im Wellenlängenbereich des ul­travioletten und sichtbaren Lichts. Ist dieser Wert im Normbereich vom Corgi (ca. 70%-100%) liegt kein Risiko für eine Blutgerinnungsstörung vor.

© Grafik: Janine Huber / Quelle: Claudia Bohne

Das große Aber

Dieser Test ist nicht dauerhaft aussagekräftig, denn das Steigen und Sinken des Plasmaspiegels kann über äußere Einflüsse, wie z.B. Stresssituationen, negativ beeinflusst werden, sodass der Wert sinkt und Probleme bei der Blutgerinnung und Blutstillung entstehen. Auch kann der Wert sich immer wieder in einem Hundeleben ändern. Wie bereits im oberen Teil erläutert, kann vWD1 selbst bei Trägern dazu führen, dass es zu übermäßigen Blutungen während einer Operation kommen kann, z.B. Kaiserschnitt.

Was nun?

Die Notwendigkeit eines Kaiserschnittes kann verschiedene Gründe haben. Die Dystokie beispielsweise ist eine Wehenschwäche, von der die weiblichen Corgis betroffen sein können. Der Wehenschwäche können sowohl organische als auch mechanische Ursachen zugrunde liegen. Formen dieser Anomalien sind die Beckendystokie, die Zervixdystokie oder die Wehendystokie. Bei der Wehendystokie unterscheidet man die primäre und die sekundäre Form.

Bei primärer Wehenschwäche wird die minimale Frequenz der Muskelkontraktionen oder deren Ausbleiben vor der Geburt beschrieben und bei einer sekundären Wehenschwäche sind Wehen vorhanden, aber aus verschiedenen Gründen kann es zu einer Unterbrechung des Austreibens der Welpen kommen. Eine Überdehnung des Uterus oder eine Zervixdystokie (verminderte Dehnbarkeit des Geburtsweges) können Gründe für eine sekundäre Wehenschwäche sein. Eine Beckendystokie beschreibt ein verengtes Becken, das die Welpen während der Geburt nicht passieren können. Die Geburtsschwierigkeiten können auch mit zu großen Welpen oder fehlerhafter Lage der Welpen im Mutterleib zusammenhängen. Corgi-Welpen haben in der Regel schon ein Geburtsgewicht von 300 bis 400 Gramm. Teilweise werden aber auch Welpen mit einem Gewicht von 400 bis 500 Gramm geboren, was einem Rottweiler-Welpen entspricht.

Hochleistungssport für ­Corgi-Hündinnen

Im Größenverhältnis ist dies dann Hochleistungssport für einen kleinen Körper wie dem einer Corgi-Hündin. Auch das Alter, der Stress und die konditionelle Verfassung des Muttertieres können sich auf den Geburtsverlauf auswirken. Jede Störung bei der Geburt sorgt immer für ein Risiko und ist mit Schmerzen für die Hündin verbunden.

Im Notfall kommt es somit zum Kaiserschnitt. Denn ohne Behandlung dieser Geburtsschwäche kann es zum Tod des Muttertieres und ihrer Welpen kommen. In den letzten drei Jahren lag die Kaiserschnitt-Quote im CfBrH beim Welsh Corgi Pembroke bei 44%. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Hündinnen, die zwei Würfe mittels Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben (egal, welche Gründe vorliegen), von der weiteren Zuchtverwendung ausgeschlossen werden. Aufgrund der Risiken für Schwergeburten und ggf. erblich zugrundeliegende Formen wurde eine Studie veranlasst in der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Diese wird von Prof. Hartwig Bostedt in Zusammenarbeit mit allen Corgi-Züchtern des CfBrH durchgeführt.

Kaiserschnittrate bei den Corgis in Deutschland:

20172018201920202021
41%30%56%43%bis jetzt 52%
Statistik: Nancy Leetz-Rosenbohm (Züchterin „Corgis vom Kalimandscharo“ und Rassebetreuerin Welsh Corgi Pembroke des Club für Britische Hütehunde e.V.)

Sensibilisierung

Es ist wichtig sich eingehend mit diesem Thema zu beschäftigen, um im Notfall vorbereitet zu sein. Gespräche und Vorkehrungen mit Tierärzten sind nötig, um eventuell auf bestimmte Medikamente (NSAR) zu verzichten, zukünftige Welpenbesitzer zu sensibilisieren und nicht in Angst und Schrecken zu versetzen. Steht zum Beispiel eine Operation an, die bekanntermaßen mit einem hohen Blutverlust einhergeht, kann man dem Tier einige Wochen vorher Blut abnehmen lassen.

Während des Eingriffs kann es dann mit seinem eigenen Blut versorgt werden. Hat ein Tier durch einen großen Blutverlust einen Schock erlitten, ist eine Bluttransfusion Teil der Behandlung. Ihm fehlen rote Blutkörperchen (Erythrozyten), die wiederum für den Transport des Sauerstoffs im Blut zuständig sind. Außerdem erhöht die Transfusion das Blutvolumen wieder, was für einen konstanten Blutdruck notwendig ist. Weitere Stoffe, wie z.B. Moleküle für die Blutgerinnung, werden über eine Bluttransfusion ebenfalls aufgefüllt. Hunde haben verschiedene Blutgruppen, die nicht alle untereinander kompatibel sind. Um die Blutgruppe zu bestimmen, gibt es Schnelltests. Werden die falschen Blutgruppen kombiniert, kann es zu schweren, mitunter tödlichen Reaktionen kommen, weil das Immunsystem des Empfänger-Tiers auf das fremde Blut reagiert. Dies ist beim Hund aber glücklicherweise eher selten. Die meisten Blutgruppen harmonieren ausreichend miteinander. Das Spender-Tier sollte möglichst noch nie eine Transfusion erhalten haben und zudem über einen abgeklärten Gesundheitsstatus verfügen, da ansonsten Krankheiten wie Leishmaniose oder Borreliose auf den Empfänger übertragen werden können.

Das gespendete Blut kann gelagert oder direkt übertragen werden, wobei Letzteres häufiger der Fall ist. Neben dem sogenannten Vollblut können auch einzelne Blutbestandteile verabreicht werden – je nach Notwendigkeit. Beim Empfänger-Tier wird zu diesem Zweck eine Infusion gelegt, über die das Blut langsam in die Vene gegeben werden kann. Große Tierarztpraxen und Kliniken haben mittlerweile eigene Blutbanken, um im Notfall schnell eine Bluttransfusion mit passendem Blut durchführen zu können.

Leider gibt es noch keine molekulargenetischen Analysen, die uns unsere Zuchtselektion erleichtern. Wissen, Forschung, Aufklärung und ein MITEINANDER sind für eine vorausschauende, generationenübergreifende Zucht notwendig.

Claudia Bohne

Claudia Bohne
Züchterin seit 2017
Vitalsystem Expertin und zert. Ernährungs- & Gesundheits­beraterin für Hunde
www.blackridinghood.com

Fotos: © Frech-Fuchs Photographie / Janine Huber (soweit nicht anders angegeben)

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