Verantwortung statt Pauschalurteile
Am 1. Januar 2022 trat die überarbeitete Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV) in Kraft. Diese Neuerungen sollen das Wohlergehen der Hunde verbessern, indem bestimmte Zuchtmerkmale strenger reguliert werden. Die Verordnung basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Bedürfnissen von Hunden und enthält Regelungen, die aus Tierschutzsicht uneingeschränkt sinnvoll sind. Für Halter und Züchter brachte sie neue Anforderungen in den Bereichen Auslauf, Betreuung und Haltung mit sich.
Am 24. Mai 2024 wurde nun ein Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz veröffentlicht. Dieser enthält eine Symptomliste von sogenannten Qualzuchtmerkmalen, die das Ende von Zucht und Ausstellung vieler gesunder Hunderassen in Deutschland bedeuten könnte, zum Beispiel von Französischer Bulldogge und Boston Terrier sowie Cocker Spaniel und Dackel. Auch andere Rassen wie Australian Shepherd, Collie, Beagle und unser Corgi drohen allein aufgrund ihrer genetischen Merkmale ausgeschlossen zu werden.

Ziel und Kritik der Reform
Obwohl die Reform etwa im Hinblick auf Rassen mit starken gesundheitlichen Problemen wie Atemproblemen, Herzfehlern, Hautproblemen u. v. m. grundsätzlich zu begrüßen ist, enthält sie dennoch grobe Fehler. Das wohl größte Problem ist die fehlende wissenschaftliche Grundlage zur Bewertung einfacher phänotypischer Merkmale (als Phänotyp bezeichnet man das Erscheinungsbild eines Organismus, also körperliche Merkmale), die zwangsläufig auf gesundheitliche Beeinträchtigungen hinweisen sollen. Aber nicht jedes Merkmal bedeutet automatisch eine gesundheitliche Beeinträchtigung, sodass Entscheidungen immer individuell und auf Basis tatsächlicher Leiden getroffen werden sollten.
Was ist eine Qualzucht?
Eine Qualzucht liegt vor, wenn einem Hund Merkmale angezüchtet werden, unter denen er körperlich leidet. Die Gesundheit rückt dabei in den Hintergrund und das äußere Erscheinungsbild steht im Vordergrund – oft zu Lasten des Wohlbefindens des Tieres. Dies betrifft nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern kann auch das Verhalten beeinträchtigen. Möpse zum Beispiel leiden oft unter Atemproblemen und eingeschränkter Mimik, was die Kommunikation mit Artgenossen erschwert und zu Missverständnissen und Konflikten führen kann. Auch Praktiken wie das Kupieren von Ohren oder Ruten fallen ohne Frage in den Bereich tierschutzwidriger Eingriffe.
Interessant: Prof. Dr. Ingo Nolte von der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover hat gemeinsam mit der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Fitnesstest entwickelt, mit dem zunächst Möpse identifiziert werden können, die frei atmen und sich daher als Elterntiere für die Zucht von gesunden Hunden ohne Atembeschwerden eignen. Der VDH gewährleistet den Tierschutz, indem VDH-Leistungsrichter laut Regularien verpflichtet sind, kranke oder überforderte Hunde umgehend von Veranstaltungen auszuschließen.




Widersprüche: Tierschutz versus Zuchtgesundheit
Um ein grundlegendes Verständnis für eine seriöse Zucht aufzubauen, ist es wichtig, sich mit einigen wesentlichen Aspekten auseinanderzusetzen. Züchter, die innerhalb des VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) agieren, haben sich bereits strengen Auflagen unterworfen, um eine gesunde Hundezucht sicherzustellen.
Bevor man überhaupt den ersten Welpen in den Händen halten kann, vergehen viele Monate, in denen zahlreiche Prüfungen, Zuchtstättenabnahmen und Genehmigungen der jeweiligen Städte oder Gemeinden notwendig sind. Dieser langwierige Prozess erfordert nicht nur Geduld, sondern auch erheblichen finanziellen Aufwand. So können die Kosten für internationale Zuchttiere, etwa bei einem Corgi, schnell bei rund 3.500 EUR liegen. Zum Zeitpunkt des Kaufs steht jedoch noch nicht fest, ob der Hund tatsächlich als Zuchttier eingesetzt werden kann. In dieser Phase müssen Züchter mit zahlreichen Unsicherheiten jonglieren.
Denn bevor der Hund als Zuchttier zugelassen wird, müssen zahlreiche Tests absolviert werden: Röntgenaufnahmen zur Untersuchung auf eine mögliche Hüftdysplasie, Augenuntersuchungen, Bluttests auf Erbkrankheiten und je nach Rasse weitere spezifische Gesundheitschecks.
Die Zuchthunde müssen zusätzlich an Ausstellungen teilnehmen und dort bestimmte Bewertungen erreichen. Danach folgt eine Körung, bei der unter anderem das Wesen des Hundes im Ring mit anderen sowie die eingereichten Zuchtunterlagen geprüft werden. All diese Schritte sind mit hohen Kosten verbunden, aber das Entscheidende ist die liebevolle Hingabe, mit der Züchter für diese kleinen Lebewesen sorgen, lange bevor sie als treue Begleiter in die Heime und Herzen ihrer neuen Familien einziehen können.
Und nun kommt ein wichtiger Punkt: Träte das Gesetz in jetziger Form in Kraft, könnte bestimmten Hunden beispielsweise ein Verbot zur Teilnahme an erforderlichen Ausstellungen oder Röntgenuntersuchungen, beispielsweise zur Einschätzung der Hüftknochen, drohen. Doch gleichzeitig fordert das Gesetz, dass die Hunde genetisch gesund sind. Diese beiden Anforderungen scheinen sich gegenseitig auszuschließen.
Auswirkungen auf Hundesport, Zucht und Ausstellungen
Die Gesetzesreform greift daher auch in den Hundesport, das Prüfungswesen und in die Zulassungskriterien für Züchter und Rassehundeausstellungen ein. Sie sieht ein erweitertes Ausstellungsverbot für Hunde mit sogenannten Qualzuchtmerkmalen vor.
Gemäß dem aktuellen Wortlaut des Gesetzesentwurfs könnten dadurch unter Umständen gesunde Hunde bei einer Zuchtzulassungsvorstellung von der Zucht ausgeschlossen werden. Dies würde den Gen-Pool der betroffenen Rassen erheblich verkleinern und somit der eigentlichen Absicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), den Tierschutz zu fördern, entgegenwirken.
Folgen einer reduzierten genetischen Vielfalt
Die aktive Einschränkung des Gen-Pools hätte verschiedene Auswirkungen auf die Tiere: Bei einem kleineren Gen-Pool ist es wahrscheinlicher, dass bestimmte Krankheitsgene sowohl vom Vater als auch von der Mutter weitergegeben werden. Das führt wiederum zu einer höheren Prävalenz genetisch bedingter Erkrankungen. Prävalenz bezeichnet in der medizinischen Statistik die Häufigkeit oder das Vorkommen einer bestimmten Krankheit bzw. eines Gesundheitszustandes in einer definierten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines festgelegten Zeitraums.
Ein eingeschränkter Gen-Pool bedeutet also, dass die genetische Vielfalt abnimmt, was negative Folgen für das Immunsystem der Hunde haben kann. Eine geringere genetische Vielfalt führt oft zu schwächeren Immunantworten und einer Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, da es weniger unterschiedliche genetische Mechanismen gibt, die Krankheitserreger bekämpfen können.
Im VDH sinken die Welpenzahlen von Rassen mit sog. Qualzuchtmerkmalen seit Jahren, obwohl ihre Beliebtheit konstant bleibt und sogar steigt.
Quelle: VDH.de / Rundschreiben Nr 2.2022
Die genetische Anpassungsfähigkeit spielt eine wichtige Rolle für die Evolution und das Überleben, auch bei domestizierten Tierarten. Eine zu enge Selektion behindert die Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umwelteinflüsse, klimatische Veränderungen oder neue Krankheitsbedrohungen.
Das BMEL hofft also, durch verschiedene Verbote die Zucht von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen zu verringern. In der Praxis könnte sich – und das ist ein weiterer entscheidender Kritikpunkt der Gesetzesreform – in einem wachsenden Schwarzmarkt und unkontrollierter Vermehrung außerhalb von Zuchtverbänden und ihren strengen Regularien niederschlagen.

Gefahr der Förderung des Schwarzmarkts
Die Gesetzesreform könnte zu einem Boom unkontrollierter Zuchtpraktiken führen und öffnet u. a. dem illegalen Welpenhandel Tür und Tor – was bedeutet, dass immer mehr „Kofferraumhunde“ ohne entsprechende Gesundheitsnachweise ins Land kommen können. Denn ein Kaufverbot ist nicht ausgesprochen.
Und da die Nachfrage nach bestimmten Rassen, befeuert auch durch deren Präsenz und Prominenz in den sozialen Medien, hoch bleibt, könnten die Käufer zunehmend auf unseriöse Quellen ausweichen und landen schließlich mit vielleicht stark gesundheitlich beeinträchtigten Tieren beim Tierarzt.
Nur eine klare Unterscheidung zwischen gesunder Zucht und Qualzucht kann langfristig dazu beitragen, das Wohlergehen der Hunde zu verbessern und den Schwarzmarkt einzudämmen. Seriöse Züchter übernehmen Verantwortung für ihre Nachzuchten, behalten sich vor, die Tiere im Problemfall zurückzunehmen, und lassen ihnen die Versorgung zukommen, die sie brauchen, egal was es kosten würde. Ein solches Engagement fehlt bei unseriösen Vermehrern, die ausschließlich auf Profit aus sind.
Welpen aus VDH-Zucht:
Quelle: https://meingesunderrassehund.de
Im Vergleich machen Welpen aus der VDH-Zucht im Schnitt etwa 18% der jährlich angemeldeten Hunde aus.
Missverständnisse vermeiden: differenzierte Sicht auf Zuchtpraktiken
Bitte versteht das Gelesene bis hierher differenziert: Es geht keinesfalls darum, Qualzuchten zu beschönigen. Schauen wir uns dazu den Corgi als Beispiel an: Handelt es sich hier um Qualzucht oder gesunde Zucht? Ob ein Corgi als Qualzucht anzusehen ist, hängt stark von den zugrundeliegenden Zuchtpraktiken ab.
Die zwei Haupt-Vorwürfe beim Corgi
- Langer Körper und kurze Beine: Erhöhtes Risiko für Hüftdysplasie
Die kurzen Beine dieser Rasse, die durch das spezielle Retrogen FGF4-12 verursacht werden, können – müssen jedoch nicht zwangsläufig – zu gesundheitlichen Problemen führen. Die Lebensbedingungen der Hunde sowie bislang unbekannte Parameter spielen eine wesentliche Rolle und sind nach wie vor wissenschaftlich nicht hinreichend erforscht, wie Dipl.-Ing. Olaf Schmidt-Kiy, Rassebetreuer des CfBrH, feststellt.
Seriöse Züchter, die sich um das Wohlergehen ihrer Tiere kümmern, setzen – wie bereits erwähnt – genetische Tests ein, um gesundheitliche Risiken so weit wie möglich zu minimieren. Dazu gehören unter anderem Hüftdysplasie, Augenkrankheiten und andere rassetypische Erbkrankheiten. Diese Tests werden jedoch nur durchgeführt, solange sie den Vorgaben des VDH entsprechen, denn die Züchter halten sich daran. Der Gesetzentwurf hingegen beabsichtigt, genau diese Tests zu verbieten – ein widersprüchlicher Schritt.
Leider gibt es auch bei seriösen Züchtern schwarze Schafe, die extrem kurze Beine bewusst fördern – was zeigt, dass es wichtig ist, gezielt problematische Einzelaspekte anzugehen, statt pauschal ganze Rassen zu verurteilen.
- Unvollständig ausgebildete Rute (NBT = Natural Bobtail): Kann zu Problemen in der innerartlichen Kommunikation führen
Die Annahme, dass eine natürlich angeborene kurze Rute zu Verständigungsproblemen unter Hunden führt, ist umstritten. Eine kurze Rute kann bei anderen Hunden den Eindruck erwecken, sie sei eingezogen. Besonders feinfühlige Hunde deuten dies oft als Zeichen von Angst, was ihrerseits Aggressionspotenzial auslösen kann. Als verantwortungsbewusster Hundebesitzer ist es meine Aufgabe, mögliche Kommunikationsbarrieren zu erkennen, sodass der Hund auch mit einer verkürzten Rute problemlos mit Artgenossen kommunizieren kann.
Als Hundehalter sollten wir unsere Tiere frühzeitig und kontrolliert sozialisieren. Sie sollten bereits in der Sozialisierungsphase (8.–16. Woche) möglichst viele Hunderassen kennenlernen, um verschiedene Erscheinungsbilder und Verhaltensweisen als „normal“ zu akzeptieren. Auch bei älteren Hunden ist dies noch möglich: Durch behutsame Annäherung und kontrollierte Begegnungen können sie zu sicheren, vielseitigen Vierbeinern werden. Diese Behauptung, die auf die Zucht von Corgis mit natürlichen Bobtails abzielt, als Beweis für eine Qualzucht heranzuziehen, ist daher für mich nicht haltbar.

Die Verantwortung von Züchtern und Käufern
Neben den Züchtern tragen auch die Käufer eine Verantwortung. Es ist entscheidend, sich vor der Anschaffung eines Corgis intensiv mit der Rasse und deren spezifischen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Wer einen Corgi kauft, sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Hunde aufgrund ihrer Körperstruktur vielleicht nicht aus dem Auto springen sollten.
Ihr seht, das Thema ist äußerst umfangreich und könnte noch viel detaillierter durch weitere Vergleiche und Gegenüberstellungen beleuchtet werden. Wenn ihr euch genauer mit einzelnen Verordnungen oder dem Tierschutzgesetz beschäftigen möchtet, könnt ihr hier gerne weitere Informationen finden:
- Zuchtordnung im VDH
- CfBrH – Kupierverbot schon seit 20 Jahren
- Entwurf für das neues Tierschutzgesetz
- Interessante Zusammenfassungen: “Mein gesunder Rassehund”
- Welsh Corgi News zum Bobtail-Gen
- Auszüge meiner Quellen
Und ganz am Rande: Tritt das Gesetz in der Form in Kraft, könnte dies auch bedeuten, dass das Kali-Treffen in diesem Jahr das letzte gewesen ist, da es theoretisch ein Züchtertreffen war, das unter den gegebenen Umständen so möglicherweise nicht mehr erwünscht ist.
Fazit: In der Diskussion über Tierschutz und Gesetzesnovelle sollte man vermeiden, in Schwarz-Weiß-Kategorisierungen zu denken. Jedes Tier und jede Rasse verdient eine differenzierte Betrachtung, die sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte berücksichtigt. So können wir gemeinsam für ein besseres Verständnis und eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber unseren vierbeinigen Freunden sorgen.

Der NBT (Natural Bobtail)
Der NBT ist eine natürlich angeborene kurze Rute und hat nichts mit Kupieren zu tun. Das Kupieren der Rute ist in Deutschland seit 1987 verboten und auch in der gesamten EU sowie vielen weiteren Ländern untersagt.
Und um einen weiteren Mythos bezüglich des NBT beim Pembroke zu entkräften: Bei manchen Hunderassen kann eine kurze Rute tatsächlich mit Wirbelsäulenproblemen zusammenhängen (die Rute ist ein Teil der Wirbelsäule). In solchen Fällen wäre ein Verbot aus Tierschutzgründen durchaus sinnvoll – ein Punkt, der dann natürlich Kritik verdient. Beim Pembroke Welsh Corgi trifft dies jedoch NICHT zu. Es ist wichtig zu wissen, dass die Vererbung kurzer Ruten von Rasse zu Rasse unterschiedlich abläuft (vgl. Hawarth et al., 2001).
Jetzt wird es leider ein wenig wissenschaftlicher. Die genauen Details können bei Interesse in meinen Quellen nachgelesen werden. Denn Professor Dr. Frode Lingaas vom Institut für Genetik des norwegischen Landwirtschaftsdepartements identifizierte beim Pembroke Welsh Corgi ein einfach dominantes Gen für die Stummelrute, dessen Ausprägung (kurze oder lange Rute) von modifizierenden Faktoren beeinflusst zu werden scheint.
Das von Lingaas entdeckte Gen kommt ausschließlich beim Pembroke Corgi vor. Blutproben von Corgis aus Bobtail x Bobtail-Kombinationen zeigten keine Homozygoten mit doppeltem Stummelruten-Gen, was auf ein letales Gen hindeutet: Embryonen mit diesem Genpaar könnten sich somit gar nicht erst entwickeln, sie werden resorbiert. Das einzelne Stummelruten-Gen ist gesundheitlich unbedenklich und beeinflusst weder die Gesundheit noch die Wurfgröße (vgl. Indrebø, Astrid & Langeland, Marianne & Juul, H & Kippenes Skogmo, Hege & Rengmark, Aina & Lingaas, F., (2008).
Aktuellstes Update vom VDH auf Facebook am 20.11.2024
Der VDH teilt dort mit, dass die Leitlinien zur Auslegung und zum Vollzug des Ausstellungsverbotes nach § 10 TierSchHuV zurückgenommen wurden. Die AG Tierschutz (AGT) hat eine rechtliche und fachliche Überprüfung der Leitlinien angekündigt, unter Einbeziehung des VDH und des BMEL. Experten, die als Verantwortliche für die Validierung genannt wurden, betonten, dass sie weder an der Validierung noch an der Freigabe beteiligt waren und ebenfalls Änderungsbedarf sehen. Dem VDH wurde eine Einbindung zugesagt, auf die sie bestehen werden. Das Thema ist also noch lange nicht abgeschlossen, aber es gibt vorerst ein Aufatmen.